Kursstufe im Toscafieber

PROLOG: Es ist der 17. Juni 1800 in Rom. In der Kirche Sant' Andrea della Valle beginnt eine der größten Tragödien der Operngeschichte. Politisch ein Kräftemessen des autoritären Polizeistaats mit liberalen Republikverfechtern und Sympathisanten Napoleons. Zentrale Figuren sind der korrupte, machtbesessene, perverse Scarpia auf der einen Seite, der politische Gefangene Angelotti, der freiheitliebende Mahler Caravadossi sowie eine Operndiva und Geliebte des Malers Tosca auf der anderen. Ein atemloser Kampf voller Eifersucht, Machtgier und Freiheitswille beginnt. Das Ende am Morgen des 18. Juni kann nicht gut sein: Scarpia ermordet, Cavaradossi exekutiert, Angelotti und Tosca wählen den Freitod. Es bleiben gerade drei Momente des Innehaltens: Toscas Arie „Vissi d’arte, vissi d’amore“, Cavaradossis weltberühmtes "E lucevan le stelle" und die musikalisch geniale Morgenstimmung Roms mit integriertem "Glockengesang" der Kirchen Roms.

 

Es ist der 24. Januar 2025 in Stuttgart. 40 Schülerinnen und Schüler der Musikkurse 11 und 12 finden sich im Opernhaus ein und die Spannung steigt bereits vor Vorstellungsbeginn. Für den erkrankten "Caravadossi" springt schon zwei Tage vorher der ukrainische Startenor Dmytro Popov ein. Lucio Gallo mimt den "Scarpia" als einziger Hauptdarsteller planmäßig. Denn am Aufführungstag um 12 Uhr muss auch die "Tosca" aufgrund eines Hexenschusses absagen. Für das Opernhaus beginnt ein ungewollter Castingkrimicountdown als Vorspiel zur abendlichen Vorstellung. Der polnische Weltstar Ewa Vesin wird im wahrsten Sinne aus Breslau via Zürich eingeflogen, sie scheitert lediglich aufgrund der vollen Straßen in Stuttgart (Streik des ÖPNV) an der Pünktlichkeit, gönnt sich gerade einmal 12 Minuten für die Maske und zum Ankommen, dann startet die Vorstellung mit (nur) 30 minütiger Verspätung. Aber das Warten hat sich gelohnt. Das Publikum inklusive den MPGlern erleben einen intensiven, ergreifenden Opernabend auf höchstem Niveau, nicht zuletzt fasziniert von der (zwangsweisen) Spontanität der Bühnenprofis. Aber auch die traumhafte Musik Puccinis, ein grandios aufspielendes Staatsorchester sowie Chor und Kinderchor der Oper machen diesen Abend unvergesslich. Am Ende dann verdientermaßen tosender Applaus. Dank der Bahn, die einmal mehr auf Musikexkursionen des MPG keine Direktverbindung Stuttgart-Nürtingen zustande bringt, haben die begeisterten Schülerinnen und Schüler noch mehr Zeit, den Abend bis ins Maximale auszureizen und zu feiern.

 

EPILOG: Es ist der 23. Januar 2025 in Nürtingen. Zum intensiven Erlebnis hat sicher im Vorfeld nicht nur die Vorbereitung im Unterricht, sondern ganz besonders ein Workshop mit Christoph Sökler, Musikvermittler an der JOiN, beigetragen. Mit Insiderwissen ausgestattet, lebendig und mit vielen aktiven dramaturgischen Übungen und Experimenten hat er Tosca und die Welt der Oper schon vorab erlebbar gemacht.                                   Florian Aißlinger